Am Morgen des 9. März meldeten die Nachrichten verstärkte Raketenangriffe auf die Infrastruktur in der gesamten Ukraine. Kurze Zeit später startete unser Online-Workshop „Mikropolitik und Gender“ – für und mit unseren starken ukrainischen Partnerinnen.
Wie bei den vorausgegangenen Treffen stellte sich die Frage: Wer kann heute mitmachen? Erlaubt es die Sicherheitslage, hält die Internetverbindung? Und wieder das Erstaunen: 20 Führungsfrauen aus der ganzen Ukraine haben sich eingeloggt, eine Teilnehmerin aus Donezk nahm aus dem Schutzkeller teil.
Machtspiele und Machtverhältnisse
Das aktuelle Thema Mikropolitik handelte von den kleinen, unsichtbaren Spielen der Macht, die sich hinter den Kulissen abspielen. Es ging um die bewusste Auseinandersetzung mit Macht sowie um die (unsichtbaren) Machtspiele und Machtverhältnisse innerhalb von Organisationen (Parteien, Unternehmen, Hochschulen etc.). Betrachtet aus der Geschlechterperspektive kann das die Handlungsspielräume erweitern. Der Workshop, zielte darauf, sich Wissen über Mikropolitik und mikropolitische Kompetenz anzueignen und über das persönliche Verhältnis zu Macht zu reflektieren. Für Frauen in der Ukraine ist es wichtig, in Kriegszeiten und beim Wiederaufbau gleichberechtigt und sichtbar mitzuwirken und sich für die Realisierung ihrer Ziele erfolgreich einzusetzen. Entscheidend sind hierfür Netzwerke und eine lebendige Solidarität unter Frauen. Aktuell würden auf regionaler Ebene Aktionspläne für den Wiederaufbau erarbeitet. 98 % der Akteur*innen aus dem zivilgesellschaftlichen Bereich seien Frauen, informierte eine der Teilnehmerinnen. Eine andere fühlte sich durch den Workshop in ihrer Erfahrung bestätigt: „Wenn du einer anderen hilfst, wird sie dir helfen.“
Eigene Vorbildfunktion nutzen
Die Teilnehmerinnen nutzten die Zeit auch für den Austausch. Viele hatten sich seit Monaten nicht mehr gesehen und gesprochen und schätzten daher die Runde mit so vielen interessanten Persönlichkeiten. „Wir selbst können und sollen unsere Vorbildfunktion nutzen, indem wir Stereotype brechen, indem wir zeigen, dass wir eine eigene Meinung haben, voll dabei sind und uns durchsetzen können,“ ermutigte eine ihre Mitstreiterinnen. Eine andere berichtete, dass sie ihre drei Kinder, darunter ein Neugeborenes, mit zur Arbeit nehme. „Das stärkt uns“. Eine Dritte wies auf die schwierige Lage der Binnengeflüchteten hin. Es seien viele engagierte Frauen darunter, die in der Aufnahmeregion oft ohne Kontakt dastünden und es daher schwer hätten, sich aktiv einzubringen. Gerade sie könnten von solchen Online-Seminaren profitieren. Aber auch die Anwesenden zeigten sich zufrieden mit den Ergebnissen und dankbar für den Workshop.