Mehr Sichtbarkeit für Bi+ Menschen

Bi+ Menschen sind in der LGBTQI* Community eine der unsichtbarsten Gruppen. Anlässlich des Bi Visbility Months erklärt Senior Expert Anna Sive, welche Diskriminierungen sie erleben und wie wir sie bei ihrer Sichtbarkeit unterstützen können.

Menschen, die zum Bi+ Spektrum gehören – bisexuelle, pansexuelle und weitere nicht-monosexuelle oder nicht-monoromantische Menschen – machen innerhalb der LGBTIQA* Community die größte queere Minderheit aus. Sie sind gleichzeitig auch eine der unsichtbarsten Gruppen. Sie erleben Bi Erasure (also Bi-Unsichtbarmachung) und andere Formen der Diskriminierung innerhalb und außerhalb queerer Communitys. Diese Doppeldiskriminierung ist spezifisch für Bi+ Menschen und macht es für diese besonders schwer, sich in queeren Communitys sicher und zugehörig zu fühlen oder in der Mehrheitsgesellschaft offen mit ihrer Identität umzugehen.

Welche Diskriminierungen erleben Menschen des Bi+ Spektrums?

Bi Erasure hat viele Facetten: Zum einen werden Bi+ Menschen in den Medien, historischen Kontexten und vielfach auch in LGBTQI* Kontexten als lesbisch oder schwul summiert oder ganz weggelassen – sind mit ihrer eigenen sexuellen Identität also nicht sichtbar. Gleichzeitig wird ihnen Bi+ oftmals abgesprochen oder das Bi-Sein als „Phase“ oder „sich nur (noch) nicht zum homosexuell sein Bekennen“ und die Hingezogenheit zu mehr als einem Gender als „Unentschlossenheit“ unterstellt. Dies bewirkt bei Bi+ Menschen häufig eine innere Unsicherheit oder internalisierte Bi-Phobie, erschwert das Outing und führt zu besonderem Minderheitenstress. Fällt dies mit weiteren Diskriminierungen, wie Sexismus, Rassismus, Transfeindlichkeit oder Ableismus zusammen, potenzieren sich die Effekte.

Wie können wir Bi+ Menschen bei ihrer Sichtbarkeit unterstützen?

Die eigene Sprache anpassen und eigene Annahmen zu überdenken, kann helfen, Bi+ Menschen in der Gesellschaft sichtbarer zu machen und ihre Diskriminierung zu verringern. Zum Beispiel sollte von der sichtbaren Partnerperson eines Menschen nicht automatisch auf die sexuelle oder romantische Orientierung geschlossen werden: Ein gleichgeschlechtliches Paar kann auch eine oder zwei bisexuelle Menschen beinhalten, ebenso ein gemischtgeschlechtliches Paar. Letzteres sollte nicht automatisch als hetero gelesen und bezeichnet werden. Bi+ Menschen, die ein Leben lang mit einer Person zusammen sind, bleiben dennoch Bi+. Und solche, die nach langer Zeit eine andersgeschlechtliche Partnerperson haben, ändern davon nicht ihre Sexualität. Keine (normativen) Annahmen in den Raum zu stellen, kann Bi+ Menschen dabei unterstützen, sich einfacher zu outen, statt durch das Verschweigen ihrer Bisexualität selbst zur Bi-Unsichtbarmachung beizutragen.

Welche weiteren Diskriminierungen und Fehlannahmen gegenüber Bi+ gibt es?

Es gibt zahlreiche Fehlannahmen und Klischees über Bi+ Menschen: Die Unterstellung von Untreue oder Promiskuität gehören ebenso dazu wie Hypersexualisierung – insbesondere von Bi+ Frauen*. Ebenfalls hochproblematisch ist es, wenn eine besonders große Gefahr der Übertragung von STI’s (sexuell übertragbare Krankheiten) angenommen wird. All diese Dinge erschweren Bi+ Menschen, offen mit ihrer Identität umzugehen und sie entscheiden sich daher vielfach, sich nicht zu outen oder sich nicht als Bi+ zu bezeichnen. Menschen, die hinsichtlich ihrer sexuellen oder romantischen Anziehung nicht auf ein Gender festgelegt sind, für die Gender in diesem Zusammenhang keine Rolle spielt (Pansexuell) oder bei denen sich die Anziehung zu unterschiedlichen Gendern im Leben fluide verändert, sind nicht unentschlossen. Sie lieben und begehren einfach anders als monosexuelle Menschen und sind dahin gehend ebenso klar, wie andere Menschen. Dies gedanklich und sprachlich zu berücksichtigen, ist ein wichtiger Schritt als Verbündete*r zur Entstigmatisierung von Bi+ beizutragen. Im Umkehrschluss führt die Behauptung, alle Menschen seien „ein bisschen Bi“ dazu, dass nicht nur Bi+ Identitäten, sondern auch lesbische und schwule Menschen in ihrer Anziehung unsichtbar gemacht werden oder deren Existenz infrage gestellt wird.

Wie viele Bi+ Menschen gibt es eigentlich?

Basierend auf aktuellen Studien kann davon ausgegangen werden, dass ca. 20 % der Menschen in Deutschland mehrere Gender lieben, begehren oder dahin gehend offen sind. Geht man von Selbstbezeichnung als Bi, Pan usw. aus, sind es ca. 7 % – im Vergleich: 2 % bezeichnen sich als lesbisch oder schwul (Quelle: Ipsos LGBT+ Pride 2021 Global Survey). Die Gruppe der Bi+ Menschen bei ihrer Sichtbarkeit und dem Abbau ihrer spezifischen Diskriminierung zu unterstützen, kommt also vielen Menschen zugute.

Der Bi Visibility Day am 23. September

Am 23. September wird seit 1999 jährlich der Bi Visibility Day begangen, um Bi+sexuelle Menschen innerhalb und außerhalb der LGBTIQA* Community sichtbar zu machen und auf deren spezifische Themen und Diskriminierungen hinzuweisen. Der September ist daher als Bi Visibility Month und die Bi+ Communitys sind in dieser Zeit des Jahres besonders aktiv, auf bisexuelle Belange hinzuweisen.

Veröffentlicht am: | Autorin : Anna Sive

Autorin
Anna Sive

Anna Sive ist bei EAF Berlin Senior Expert im Bereich Forschung und Organisationsentwicklung. Sie engagiert sich darüber hinaus als Aktivistin für Bi+ Belange und ist Mitglied des Vorstandes bei BiBerlin e.V. – der aktuell einzigen Bi+ spezifischen Interessensvertretung in Berlin. Sie schreibt und spricht regelmäßig zu den Themen Bi+ Sichtbarkeit und Bi+ spezifischer Diskriminierung und hat zuletzt die Ergebnisse einer empirischen Befragung von Bi Menschen in Berlin und Brandenburg veröffentlicht. (Erste Befragung bisexueller Menschen im Raum Berlin-Brandenburg durch den BiBerlin e. V. - BiBerlin e.V.)

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