Die Gleichberechtigung von Frauen und Männern verwirklichen – dieser Anspruch des Grundgesetzes ist immer noch nicht eingelöst. Noch immer versäumt es der Staat, ausreichend auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwirken. Die digitale Transformation eröffnet Chancen, aber es drohen auch Diskriminierungen. Bereits im Verlauf der Coronakrise gab es in vielen Bereichen Rückschritte bezüglich gleicher Teilhabe. Frauen sind weniger sichtbar und erfahren die Zunahme von Hass und Gewalt. Die 21 Verbände der Berliner Erklärung repräsentieren mit ihren Vertreterinnen und Verbündeten aus sehr unterschiedlichen Berufs- und Tätigkeitsfeldern Frauen in ihrer Vielfalt.

 

Daher fordern die Vertreterinnen der Berliner Erklärung:

Mit einem Stufenplan für Parität wird in allen unten aufgeführten Bereichen der Gender Gap bis 2030 geschlossen.

Deshalb fordern wir:

Für die Privatwirtschaft

  • Erweiterung der festen Frauenquote in Aufsichtsräten und Einführung einer Vorstandsquote auf alle börsennotierten oder mitbestimmten Unternehmen, unter Einschluss aller Unternehmensrechtsformen (SE, Ltd & Co KG).
  • Bei Bildung von Ausschüssen des Aufsichtsrates muss das Geschlechter-verhältnis die Zusammensetzung des Aufsichtsrates widerspiegeln.
  • Abschaffung der Zielgröße Null für Vorstände und für die obersten zwei Man-agementebenen.
  • Die konsequente Anwendung bestehender Sanktionen, sowie Festlegung von Sanktionen bei Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot.
  • Für Unternehmen mit Mehrheitsbeteiligung des Bundes, wesentliche Gremien des Bundes und die Bundesverwaltung
  • Umsetzung des Ziels der Paritätischen Besetzung in allen Ebenen der Bundes-verwaltung und den Gremien des Bundes.
  • Die Anwendung des Bundesgleichstellungsgesetzes auf alle Unternehmen mit Mehrheitsbeteiligung des Bundes.
  • Stufenplan für Parität in Aufsichtsräten und Vorständen/ Geschäftsführungen von Unternehmen mit Mehrheitsbeteiligung des Bundes in Körperschaften/ Anstalten des öffentlichen Rechts wie den Sozialversicherungsträgern oder Körperschaften auf Bundesebene sowie deren Aufsichtsgremien.
  • Einführung eines Transparenzregisters für öffentliche Unternehmen, wesentliche Gremien und Körperschaften/ Anstalten des öffentlichen Rechts bis 2023.

Für Kultur und Medien

  • Die paritätische Besetzung aller Leitungsebenen der vom Bund (mit)finan-zierten Kulturbetriebe (Theater, Oper, Orchester, Museum, Festivals etc.), sowie die paritätische Verteilung der jeweiligen künstlerischen Etats.
  • Die Koppelung der Kulturförderung des Bundes an Gleichstellungs- und Diversitätspläne.
  • Die paritätische Vergabe aller Fördermittel im Einflussbereich des Bundes (wie z.B. Beauftragte des Bundes für Kultur und Medien BKM, Filmförderungsanstalt FFA und Deutscher Filmförderfonds DFFF) unter Berücksichtigung von Diversität.
  • Ein Bundesprogramm zur Entwicklung von Diversitätsstandards für kreative Schlüsselpositionen und für die Vergaben von Auftragsproduktionen bei allen TV- und Radiosendern und Produktionsgesellschaften.

Für Wissenschaft, Forschung und Medizin

  • Eine paritätische Besetzung der Lehrstühle und der Gremien im Einflussbereich des Bundes und die paritätische Besetzung der Leitungspositionen in der Hoch-schulverwaltung durch konsequente Koppelung der Forschungsförderung des Bundes an Frauenförderung.
  • Parität in den Spitzenpositionen aller klinischen Fächer an Universitätskliniken und allen anderen Krankenhäusern bis 2030, ggf. auch durch Ausschreibung als Topsharing.
  • Stärkung der Gendermedizin durch Forschungsförderung des Bundes.

Für Justiz und Recht

  • Die paritätische Besetzung aller Bundesgerichte und Berufungsgremien.
  • Parität in allen Besoldungs- und Vergütungsgruppen.

Für Politik und Parlamente

  • ein verfassungskonformes Paritätsgesetz, das Parität bei Listen- und Direktmandaten sicherstellt, sowie flankierende Maßnahmen zur Förderung der politischen Partizipation von Frauen in all ihrer Vielfalt.
  • Parität bei der Besetzung von politischen Beratungs- und Entscheidungs-gremien, Kommissionen, Anhörungen oder Regierungsdelegationen.

Der Gender Pay Gap ist seit 2018 von 20 Prozent um nur zwei Prozentpunkte auf 18 Prozent gesunken. Damit liegt Deutschland auf einem der hinteren Plätze in der EU. Die Ursachen sind analysiert und bekannt: Frauen fehlen in bestimmten Berufen, Branchen und auf den höheren Stufen der Karriereleiter; sie unterbrechen oder reduzieren ihre Erwerbstätigkeit familienbedingt durch z.B. Kinderbetreuung oder Pflege von Angehörigen häufiger und länger als Männer (Teilzeitfalle); mehrheitlich von Frauen ausgeübte Berufe sind unterbewertet und unterbezahlt; in vielen Betrieben gibt es keine transparenten Entgeltstrukturen. Rollenstereotype beeinflussen nach wie vor die Berufswahl; zudem werden beim Berufszugang und der Bezahlung Frauen durch strukturelle Rassismen, Alter und andere diskriminierende Merkmale benachteiligt. Das Steuer- und Abgabensystem ist noch immer auf die Einverdiener-Ehe ausgerichtet. Mit Blick auf die Risiken von Altersarmut, müssen Frauen dabei unterstützt werden, sich finanziell selbständig abzusichern.         
Auch die zunehmende Digitalisierung der Berufsbilder erfordert ein Umdenken, denn sie wird unseren Arbeitsalltag sowie die gesellschaftlichen Verhältnisse gravierend verändern. Das Potenzial von Frauen als Gründerinnen muss besser ausgeschöpft werden, Gründerinnen brauchen den gleichen Zugang zu Wagniskapital wie Gründer.

Deshalb fordern wir weitergehende gesetzliche Regelungen und Maßnahmen:

Entgelttransparenz sowie gleiche und gleichwertige Bezahlung

  • Ein wirksames Entgelttransparenzgesetz und die Einführung eines Verbands-klagerechts, damit alle Betroffene zu ihrem Recht kommen.
  • Aufwertung und bessere Bezahlung der hauptsächlich von Frauen ausgeübten Berufe in Pflege und Erziehung; Abschaffung des Schulgeldes und Einführung einer Ausbildungsvergütung in allen Sozial- und Gesundheitsberufen.

Haushaltsnahe Dienstleistungen

  • Reform der Haushaltsnahen Dienstleistungen; sie müssen legal, sozial abgesichert und auch für Menschen mit geringen Einkommen bezahlbar sein. Staatliche Zuschüsse, wie die Gutscheine in Belgien, unterstützen legale Beschäftigungsverhältnisse und stabilisieren die Sozialversicherungssysteme.

Steuer- und Sozialrecht

  • Abschaffung des Ehegattensplittings in seiner jetzigen Form mit angemessen-en Übergangsregelungen;
  • im ersten Schritt Abschaffung der Lohnsteuerklasse V.
  • Eine neue geschlechtergerechte Berechnungsgrundlage für alle Lohnersatz-leistungen.
  • Bis zur Einführung der Kostenfreiheit bei der Kinderbetreuung die vollständige Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten von der Einkommenssteuer.

Arbeitsrecht, Arbeitszeiten und Vereinbarkeit

  • Die Intensivierung der Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Pflege für Mütter und Väter.
  • Erleichterung der Rückkehrmöglichkeiten für Teilzeitbeschäftigte zur vorher-igen Arbeitszeit, insbesondere bei pandemiebedingter Reduzierung.
  • Weitere Anreize für eine faire 50:50 Teilung der Elternzeiten zwischen den Partner*innen beim Elterngeld.
  • Selbständige, Freiberuflerinnen und kurzfristig Beschäftigte
  • Geeignete Maßnahmen zur Einhaltung sozialer Arbeitsstandards im gesamten Kultur- und Medienbetrieb und eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, insbesondere für Alleinerziehende.
  • Verbesserungen beim Zugang zum Mutterschutz sowie Anpassung und Vereinfachung von Elterngeld.   

Bildung und Digitalisierung

  • Ein Bundesprogramm zur Einführung eines Schulfachs Lebensökonomie.
  • Geschlechtergerechte Ausgestaltung der Digitalisierung und ein Bundesprogramm zur Förderung von Frauen in technischen Berufen.

Start-Ups und Gründerinnen

  • Verbesserung der Zugangsmöglichkeiten zu Kapital für frauengeführte Start-Ups und Unternehmen in der Gründungs- und Wachstumsphase.
  • Eine Mindestquote von 30% für die leitenden Positionen im Investment-Team öffentlicher Venture Capital-Gesellschaften (VC).
  • Einen separaten staatlichen Fonds für Gründerinnen und eine Gründerinnen-quote bei staatlichen Fördermitteln.
  • Wirksames Commitment privatwirtschaftlicher VCs zu einem Reporting des Frauenanteils im eigenen Investment-Team und in den Portfoliounternehmen.

Um die Pandemiefolgen zu bekämpfen, werden sowohl national als auch international Finanzmittel in nie da gewesenem Ausmaß bereitgestellt. Gleichzeitig sind Frauen besonders nachhaltig von der Pandemie betroffen. Eine umfassend fundierte Folgenabschätzung von technologischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Trends auf die Gleichberechtigung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt und in der Gesellschaft wird vor diesem Hintergrund umso bedeutsamer.    
Dabei gilt es, Frauen in ihren jeweiligen Lebenssituationen und den damit verbunden-en diversen strukturellen, individuellen und sozialen Erfahrungen gerecht zu werden.

Deshalb fordern wir:

Bundesstiftung und Gleichstellungsstrategie

  • Den Ausbau und die bedarfsgerechte Finanzierung der Bundesstiftung Gleichstellung sowie eine gesetzliche Grundlage für die Gleichstellungs-strategie der Bundesregierung und einen nationalen Aktionsplan zur Verwirklichung der Gleichstellung in allen Bereichen bis 2030. Dieser Aktionsplan muss einem permanenten Monitoring unterworfen werden und bei Bedarf um weitere Maßnahmen ergänzt werden.

Gleichstellung als Leitprinzip in allen Ressorts und Politikfeldern

  • Die paritätische Besetzung aller Entscheidungs- und Vorbereitungsgremien für Maßnahmen zur Bekämpfung der Folgen der Pandemie.
  • Eine Wirkungsanalyse (positive Wirkung auf Gleichstellung von Frauen und Männern unter Berücksichtigung einer intersektionalen Perspektive) bereits bei der Vorbereitung von Maßnahmen, Gesetzen und Finanzmitteln.
  • Die Einführung von Gender Budgeting im Bundeshaushalt.
  • Die Koppelung öffentlicher Vergaben und Fördermittel an die Beseitigung be-stehender Benachteiligungen und die Förderung von Geschlechtergerechtigkeit.

Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist kein Kavaliersdelikt, sondern ein Verbrechen und eine massive Menschenrechtsverletzung. Gewalt gegen Frauen und Mädchen sowie Femizide sind Ausdruck eines Macht-Ungleichgewichtes zwischen den Geschlechtern und des fehlenden Respekts. Antifeminismus und Frauenhass dienen auch als Rekrutierungsstrategie bei der Radikalisierung junger Männer.  
Frauen erleben strukturelle und psychische Gewalt und Mehrfachdiskriminierung in Form von Rassismus, Behindertenfeindlichkeit, Homo- oder Trans*feindlichkeit, im Netz, auf der Straße, aber auch in Behörden und Institutionen. Die Gewaltspirale endet mit körperlicher und/oder sexualisierter Gewalt bis hin zum Tod. Gewalt findet überall statt: am Arbeitsplatz, in der Öffentlichkeit oder den eigenen vier Wänden. Sie ist ein gesamtgesellschaftliches Problem und bedarf eines abgestimmten Vorgehens auf allen Ebenen.

Deshalb fordern wir:

Prävention und Schutz vor Gewalt

  • Ein Bundesprogramm zur Gewaltprävention.
  • Die vollständige Umsetzung der Istanbul Konvention, einschließlich der Rücknahme aller Vorbehalte.
  • Mit einem Rechtsanspruch auf Schutz und Hilfe den Zugang zum Hilfesystem und ein bedarfsgerechtes Hilfsangebot sicherzustellen.
  • Umfassender Schutz vor sexueller Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz.
  • Im Zuständigkeitsbereich des Bundes die Vergabe öffentlicher Gelder im Bereich Kultur und Medien, an die Durchführung geeigneter Präventionsmaß-nahmen gegen sexuelle Belästigung und Gewalt zu knüpfen.
  • Femizide verhindern und effektiv bestrafen.
  • Frauenfeindliche Gewalt und Frauenhass als eigene Kategorie in der polizei-lichen Kriminalstatistik (PKS) zu führen; sowie Ermittlungsbehörden in diesem Bereich zu schulen und zu sensibilisieren.
  • „Catcalling“, verbale sexuelle Belästigung und andere Formen von aufge-drängter Sexualität, verhindern und bestehende Strafbarkeitslücken schließen.
  • Digitale Gewalt gegen Frauen und Mädchen im Internet, in den Sozialen Medien und in Messenger Diensten wirksam zu bekämpfen. Sowie Schulungen für Richter*innen, Staatsanwaltschaften und Polizei zum Thema digitale Gewalt und ihre Folgen flächendeckend etablieren.

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Auf der Webseite der Berliner Erklärung finden Sie weitere Informationen zu aktuellen Aktionen und Statements.

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