Unconscious Bias in der IT: Was steckt dahinter?

Die IT-Branche steht vor vielfältigen Herausforderungen: vom Fachkräftemangel, der rasanten technologischen Entwicklung und der Arbeit in internationalen Projekten, in denen unterschiedliche Hintergründe und Arbeitsweisen aufeinandertreffen, über geringe Innovationskraft in homogenen Teams bis hin zu IT-Projekten, die scheitern können, und Softwareprodukten, die im Zweifel nicht an die vielfältigen Bedürfnisse aller Enduser angepasst sind. Diese Herausforderungen betreffen nicht nur technische Aspekte – sie sind eng mit der Zusammensetzung und den Entscheidungsprozessen der Teams verbunden. Hier spielen auch unbewusste Denkmuster, sogenannte Biases, eine entscheidende Rolle.

Unbewusste Denkmuster begleiten uns alle. Geprägt durch Sozialisierung, Erziehung und gesellschaftliches Umfeld helfen sie unserem Gehirn, schnell Entscheidungen zu treffen – doch sie führen auch zu Verzerrungen und Vorurteilen. Dieses „Schubladendenken“ kann Diskriminierung fördern und dazu führen, dass beispielsweise Frauen oder anderen marginalisierten Gruppen weniger zugetraut wird. Gerade in der IT spielen unbewusste Denkmuster eine zentrale Rolle: Sie beeinflussen Entscheidungen in der Personalarbeit, der Führung und der Zusammenarbeit in Teams. Darüber hinaus können sich diese Biases auf den gesamten Softwareentwicklungsprozess auswirken und dazu führen, dass Produkte nicht optimal auf die Bedürfnisse vielfältiger Usergruppen abgestimmt sind.

Vielfalt in Tech-Branche & Softwareentwicklung: ein Business Case

Die Förderung von Vielfalt bietet Unternehmen die Chance, auf viele der genannten Herausforderungen innovativ zu reagieren. Durch die Reflexion eigener Denkmuster und die Einbindung vielfältiger Perspektiven können IT-Teams besser auf die Bedürfnisse ihrer User eingehen. Die gezielte Förderung von Diversity ist daher kein „Nice-to-Have“, sondern ein klarer Business Case und Wettbewerbsvorteil in der dynamischen IT-Landschaft. Doch wie kann das in der Praxis gelingen?

Diverser werden – Vielfaltssensibles Recruiting und Onboarding als Erfolgsfaktor

Die IT-Branche ist traditionell eher männlich geprägt und schöpft die Potenziale vielfältiger Perspektiven noch nicht voll aus. Frauen und andere marginalisierte Gruppen sind in vielen Teams unterrepräsentiert, was oft auf tief verwurzelte Stereotype zurückzuführen ist. Studien zeigen jedoch, dass diverse Teams innovativer denken und die Bedürfnisse ihrer User besser verstehen. Besonders in der agilen Softwareentwicklung, die auf Flexibilität und schnelle Anpassungen setzt, profitieren Teams von den unterschiedlichen Sichtweisen. Teams, die Diversität aktiv fördern, schaffen zudem ein Arbeitsumfeld, das besser auf Veränderungen reagiert und flexibler auf neue Anforderungen eingehen kann.

Um dem Fachkräftemangel aktiv zu begegnen und vielfältige Talente langfristig zu binden, sind vielfaltssensible Recruiting- und Onboarding-Prozesse daher unverzichtbar. Personalverantwortliche und Führungskräfte können durch die bewusste Reflexion eigener unbewusster Denkmuster potenzielle Barrieren für vielfältige Talente abbauen. Zugleich sollten bestehende Einstellungs- und Auswahlprozesse überprüft und um diversitätsfördernde Kriterien angepasst werden, um vielfältige Talente gezielt zu fördern. Solche Maßnahmen wirken nachhaltig, indem sie auf die spezifischen Bedürfnisse der Organisation eingehen.

Vielfalt in der IT: Unser Trainingsangebot

Diversität in der Team- und IT-Projektarbeit - faire Entscheidungen und inklusive Zusammenarbeit

Vielfältige Teams alleine reichen nicht aus, denn ihre Zusammenarbeit bringt auch Herausforderungen mit sich. Unterschiedliche Kommunikationsstile und Arbeitsweisen können zu Missverständnissen führen und die Teamdynamik, gerade in agilen Umgebungen wie Scrum-Teams, beeinflussen. Ein Beispiel für häufig auftretende Probleme zeigt sich in Meetings: Oft neigen Teammitglieder unbewusst dazu, eher auf Meinungen und Vorschläge von Personen mit ähnlichem Hintergrund einzugehen, während andere Stimmen weniger Gehör finden. Viele Frauen und People of Color in der IT machen zudem negative Erfahrungen: Ihre Beiträge werden oft weniger anerkannt, ihre Kompetenzen infrage gestellt oder sie fühlen sich durch stereotype Kommentare ausgegrenzt. Solche Erlebnisse führen zu hoher Fluktuation und dem Verlust wertvoller Perspektiven und Kompetenzen.

Um ein inklusives Arbeitsumfeld zu schaffen, sind deshalb Organisationskulturen entscheidend, in denen Führungskräfte Vielfalt aktiv fördern, Respekt für unterschiedliche Perspektiven stärken und dafür sorgen, dass alle Teammitglieder gehört und wertgeschätzt werden. Die bewusste Reflexion eigener Denkmuster und vielfaltssensible Prozesse fördern ein Umfeld, in dem sich alle zugehörig fühlen und erfolgreich zusammenarbeiten. Neben Führungskräften sollten auch alle Mitarbeitende sensibilisiert werden. Regelmäßige Überprüfungen und Anpassungen von Entscheidungen und Prozessen in der Team- und IT-Projektarbeit tragen dazu bei, Barrieren abzubauen und Transparenz zu schaffen – etwa durch angepasste Talententwicklungsprogramme, ein zentrales Feedback-System, das diskriminierendes Verhalten adressiert oder die Gründung von BiPoC- oder Frauennetzwerke.

Vielfaltssensible Softwareentwicklung: Unbewusste Denkmuster erkennen für inklusivere IT-Produkte

 

Unbewusste Denkmuster können sich auch direkt auf die Entwicklung selbst auswirken. Diese Biases können in allen Softwareentwicklungsphasen auftreten und die Produktqualität beeinflussen. Ein häufiges Beispiel ist der Confirmation Bias: Wir neigen dazu, Informationen so auszuwählen, die unseren bestehenden Annahmen bestätigen, während gegenteilige Hinweise oft übersehen werden. In der Anforderungsanalyse führt dieser Bias dazu, dass Projektbeteiligte z.B. bestimmte Aspekte eines Produkts als gesichert betrachten, ohne sie kritisch zu hinterfragen. Im Testing kann der Confirmation Bias dazu führen, dass Fehler übersehen werden, da Entwickler*innen unbewusst nur nach erwarteten Ergebnissen suchen. Dies erhöht das Risiko, dass wichtige Fehler im Produkt unentdeckt bleiben und die Qualität leidet.

Darüber hinaus beeinflussen Biases die Wahrnehmung und das Verständnis der Enduser. Ein Beispiel ist der Stereotype Bias: Er kann dazu führen, dass Teams davon ausgehen, bestimmte Nutzergruppen (z.B. ältere Menschen oder Frauen) seien weniger technikaffin und benötigten einfachere Funktionen. In der Praxis bedeutet dies jedoch oft, dass die Bedürfnisse dieser Gruppen übersehen werden, wodurch potenzielle Zielgruppen und neue Märkte ungenutzt bleiben. Ein weiteres Beispiel ist der Affinity Bias – die Tendenz, Menschen, die einem selbst ähnlich sind, bevorzugt zu berücksichtigen. Dieser Bias kann dazu führen, dass unbewusst Funktionen so gestaltet werden, dass sie den eigenen Vorlieben entsprechen, während vielfältigere Bedürfnisse anderer Nutzenden nur begrenzt berücksichtigt werden. So entstehen Softwarelösungen, die bestimmte Nutzergruppen weniger gut bedienen oder sie sogar benachteiligen. Das Ergebnis: verpasste Marktchancen, potenziell unzufriedene Kund*innen und im schlimmsten Fall rechtliche Konsequenzen.

Um den Entwicklungsprozess insgesamt zu verbessern und die Vielfalt potenzieller Enduser besser abzubilden, lohnt es sich für Tech-Teams, sich während des gesamten Entwicklungsprozesses aktiv mit unbewussten Denkmustern auseinanderzusetzen und vielfaltssensibel zu entwickeln. Dieser Ansatz hilft dabei, benutzerzentrierte Lösungen zu schaffen, die eine breite Zielgruppe ansprechen und das Produkt für alle zugänglicher machen – ein großes Innovationspotenzial. Solche vielfaltssensiblen Softwarelösungen steigern nicht nur die Kund*innenzufriedenheit, sondern eröffnen auch neue Marktchancen und stärken die Innovationskraft des Unternehmens – ein Vorgehen, das zunehmend auch von Partner*innen und Stakeholdern erwartet wird.

Zusammenfassung

Die vielfaltssensible Softwareentwicklung ist ein entscheidender Erfolgsfaktor für IT-Unternehmen. Sie stärkt die Innovationskraft, erschließt neue Märkte und ermöglicht es, Produkte zu entwickeln, die eine breite Nutzerbasis ansprechen. Unternehmen, die Biases reflektieren und Vielfalt fördern, profitieren von einem breiteren Talentpool, nachhaltigen Lösungen und höherer Kundenzufriedenheit

 

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