Konflikte gehören zum Berufsalltag. Überall dort, wo geführt, entschieden und moderiert wird, treffen unterschiedliche Perspektiven, Interessen und Erwartungen aufeinander – Spannungen sind fast unvermeidlich. Führungskräfte müssen schwierige Gespräche führen, Teamdynamiken steuern und widersprüchliche Anforderungen ausbalancieren. Doch wie gelingt es, dabei konstruktiv zu bleiben – ohne sich selbst oder andere aus dem Blick zu verlieren?

Jenseits von Harmonie: Konfliktkompetenz als Zukunftsskill
Neues Trainingsangebot für Führungskräfte
Die Akademie bietet in Kooperation mit Konflikttrainerin Sandra Maria Fanroth ein neues Trainingsformat an, das gezielt Konfliktkompetenz als zentrale Zukunftsfähigkeit stärkt. „Entscheidend ist nicht, ob Konflikte entstehen – sondern wie wir mit ihnen umgehen“, sagt Akademieleiterin Andrea Krönke.
Im Interview spricht sie mit Sandra Maria Fanroth darüber, was Führung heute wirklich braucht, warum Konfliktkompetenz ein echter Zukunftsskill ist – und welchen Einfluss Geschlechterrollen dabei spielen.

Sandra, du begleitest seit vielen Jahren Führungskräfte in schwierigen Situationen. Du sagst oft: In jeder Herausforderung steckt auch eine Chance. Was genau meinst du damit?
Konflikte sind Chancen – auch wenn wir sie im ersten Moment oft nicht so wahrnehmen. Sie sind – nicht nur im Beruf – wie das Salz in der Suppe: Hat man zu viel davon, ist die Suppe versalzen, hat man zu wenig, schmeckt sie fad. Nach jahrelanger Berufserfahrung kann ich nur immer wieder betonen: Ohne Konflikte gibt es keine Weiterentwicklung. Der Umgang mit Konfliktsituationen ist für die Beteiligten zwar meist kein Zuckerschlecken – darum werden sie auch so gerne unter den Teppich gekehrt – aber Konflikte verleihen dem Arbeitsleben seine Würze, bringen frischen Wind und neue Ideen. Allerdings ist der Umgang mit Konflikten natürlich nicht so einfach wie der mit einem Salzstreuer. Auseinandersetzungen sind oft komplex – es geht um jede Menge Gefühle und Bedürfnisse, unterschiedliche Wahrnehmungen, die Sehnsucht nach Harmonie, den Willen zum Erfolg. Darum lohnt es sich, die eigenen Konfliktkompetenzen zu erweitern, um Konflikte gut bearbeiten und sie als Chance nutzen zu können. Ich möchte unbedingt ermutigen, zu ein bisschen mehr Konfliktfreude in Führungspositionen.
Wie beeinflussen Geschlechterrollen und Sozialisation das Verhalten von Menschen in Konfliktsituationen – und welche Herausforderungen ergeben sich daraus, insbesondere für Frauen im Berufsalltag?
Wie Menschen Konflikte austragen, hängt stark von ihrer Sozialisation ab. Um es einfach zu halten, spreche ich hier von Männern und Frauen, wobei klar ist, dass Geschlechtsidentitäten heute viel vielfältiger und fluider sind. In meinen Seminaren beobachte ich häufig, dass Frauen tatsächlich anders streiten als Männer – allerdings nicht so, wie das stereotype Bild vom „Zickenkrieg“ suggeriert. Viele Frauen lernen früh, ihre eigenen Bedürfnisse weniger klar zu kommunizieren und sich stattdessen um das Wohl anderer zu kümmern. Dieser Fokus auf die Beziehungsebene bewirkt, dass Frauen Spannungen oft intensiver wahrnehmen, Konflikte eher persönlich nehmen und schneller verletzt werden. Dadurch können sie sich trotz hoher Sozialkompetenz selbst im Weg stehen.
Das mag wie ein Kampf klingen, doch die Realität zeigt, dass auch im 21. Jahrhundert Männer Frauen häufiger unterbrechen, Frauen weniger Redezeit bekommen und weibliche Führungskräfte oft mit negativen Stereotypen konfrontiert werden. Schon kleine Mädchen lernen unbewusst, sich zurückzunehmen – zum Beispiel, indem sie ihre Beine übereinanderschlagen und weniger Raum einnehmen.
Um besser mit diesen Herausforderungen umzugehen, empfehle ich:
- Weniger Fokus auf die Beziehungsebene und mehr Balance zur Sachebene in Gesprächen
- Mehr Gelassenheit im Umgang mit Konflikten – sie sind normal und kein Zeichen von Schwäche
- Grenzen setzen lernen, statt es allen recht machen zu wollen
- Nonverbale Kommunikationsstrategien nutzen, da viele Konflikte nonverbal entschieden werden
- Professionelle Distanz wahren, eine gute Feedbackkultur fördern und stärkende Netzwerke aufbauen, um sich gegen stereotype Zuschreibungen zu wappnen
So können Frauen im Berufsalltag ihre Handlungsspielräume erweitern und Konflikte konstruktiver gestalten.
Mit welchen konkreten Konfliktsituationen kommen Führungskräfte zu dir? Und merkst du dabei auch, dass gesellschaftliche Entwicklungen Einfluss darauf haben, was sie bewegt?
Was ich am stärksten wahrnehme, ist Unklarheit und Verwirrung darüber, was moderne Führung heißen kann. In den Leitbildern der Unternehmen ist oft die Rede von partnerschaftlicher oder kooperativer Führung, von Wertschätzung und Vertrauen, von Ehrlichkeit, Augenhöhe und Vorbildsein, von Fordern und Fördern. Autoritäres Führen ist tabu und sollte der Vergangenheit angehören. Aber was heißt das konkret? Eines der heikelsten Themen sind Gespräche, in denen es um kritisches Verhalten eines Teammitglieds geht. Oft wissen Führungskräfte nicht, wie sie in einem solchen Gespräch eine gute Balance herstellen können zwischen Rückmelden, Zuhören und Veränderung bewirken. Heißt partnerschaftlich zu führen, dass Führungskräfte die Mitarbeitenden mit Samthandschuhen anfassen müssen? Dürfen sie Ansagen machen? Mit welchen Worten? In welchem Ton? Was ist angemessen?
Das erlebe ich auch als zeitgeschichtliches Phänomen. Die sozial-ökologische Transformation, die unsere Gesellschaft gerade durchrüttelt, stellt vieles Alte infrage, ohne dass das Neue schon klar und greifbar wäre. In solchen Umbruchzeiten fehlen meist die Vorbilder – dabei lernen wir Menschen sehr stark über Imitation. Darum plädiere ich für kollegiale Beratung und Austausch, gute Fortbildungen und die 4 Ms als Grundhaltung in der Führung: Man muss Menschen mögen.
Wo liegt deiner Erfahrung nach die Grenze bei Konflikten: Wann sollten Führungskräfte selbst eingreifen – und wann ist es besser, externe Unterstützung dazuzuholen?
Es gibt Modelle, die wertvolle Hinweise bei der Diagnose geben, wie stark ein Konflikt bereits eskaliert ist und ab wann welche Intervention ratsam und überhaupt noch möglich ist. Im Anfangsstadium ist ein Konflikt oft noch aus eigener Kraft der Beteiligten lösbar. Unbedingt eingegriffen werden muss spätestens dann, wenn Schaden entsteht – psychologisch und/oder materiell. Deutlich besser ist es allerdings, wenn Führungskräfte einschreiten, sobald sich Lager bilden: Sehr deutlich zu erkennen daran, dass in Grüppchen auf den Fluren geredet wird – und insgesamt mehr über- als miteinander.
Das Problem: 80 Prozent aller Führungskräfte fangen lieber ein neues Projekt an, als ein schwieriges Gespräch zu führen – so ein Bonmot von Managementberater Reinhard Sprenger. Deshalb kann es keine allgemeine Empfehlung geben, ab wann eine externe dritte Person eingeschaltet werden sollte. Die Frage ist: Was traut sich eine Führungsperson zu? Wie gut sind ihre Kommunikationsskills? Wie gut kann sie jonglieren zwischen den Rollen Vorgesetzter vs. Moderatorin? Wie gut kann sie die Balance halten zwischen Professionalität und Menschlichkeit?
Außerdem rate ich dringend ab, einzugreifen, wenn die Mitarbeitenden das Problem selbst lösen können. Die Zusammenarbeit läuft reibungsärmer, und es entlastet Führungskräfte, wenn auch in den Teams selbst Konfliktkompetenz entwickelt wird. Intervention ist immer dann zwingend notwendig, wenn ein klares Fehlverhalten vorliegt, wenn der Kundenservice und die Außenwirkung, also Ziele und Interessen des Unternehmens, beeinträchtigt sind, wenn gegen Unternehmensregeln verstoßen wird oder sexistische oder rassistische Äußerungen auftauchen.
Was macht eine gute Konfliktkultur aus – und wie kann sie die Zusammenarbeit in Teams wirklich verbessern? Und welche Rolle spielen Trainings für Führungskräfte dabei?
Ein systematisches Konfliktmanagement und eine gelebte faire Konfliktkultur im Unternehmen bieten die Chance, das Potenzial von Konflikten fruchtbar zu machen. Konflikte haben, wenn sie konstruktiv bearbeitet werden, jede Menge positive Wirkungen: Sie verhindern Stagnation, denn sie weisen auf Probleme hin und erfordern Kommunikation. Indem sie nach Lösungen verlangen, fördern sie Kreativität und Innovation – und schweißen am Ende alle Beteiligten zusammen.
Führungskräfte stehen heute in Zeiten von harter Konkurrenz, Digitalisierung, immenser Zunahme von Komplexität und Arbeitsverdichtung unter enormem Druck und tragen gleichzeitig die Verantwortung für ein offenes und faires Arbeitsklima. Dass Konflikte in Unternehmen hohe Kosten verursachen, gilt mittlerweile als gesichert. Darum braucht es m.E. eine wirklich ausgeprägte Konfliktkompetenz. In entsprechenden Trainings lernen Führungskräfte, Spannungen frühzeitig zu erkennen und konstruktiv zu intervenieren, schwierigen Situationen angemessen und souverän zu begegnen und emotional aufgeladene Situationen zu deeskalieren. Sie lernen, die Dynamik von Konflikten besser zu verstehen und trainieren das Führen professioneller Konfliktgespräche. Und das alles halte ich für unabdingbare Future Skills.
Vielen Dank für das Gespräch!
Weitere Informationen zu unserem Angebot Führen in herausfordernden Situationen finden Sie auf unserer Trainingsseite.