Zwischen Macht und Missbrauch – Sexismus und sexuelle Belästigung in der Arbeitswelt

Was tun gegen Sexismus am Arbeitsplatz? Wie begegnen wir Machtmissbrauch? Und was brauchen Betroffene wirklich? Diese Fragen standen im Zentrum des Panels ‚Zwischen Macht und Missbrauch – Sexismus und sexuelle Belästigung in der Arbeitswelt‘, das die EAF Berlin am 13. Mai im Rahmen der Antidiskriminierungstage 2025 durchgeführt hat.

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Die Diskussion wurde von Stefanie Lohaus, Mitglied der Geschäftsführung der EAF Berlin und Projektleiterin des Bündnisses „Gemeinsam gegen Sexismus“, moderiert und brachte fünf Perspektiven aus Praxis, Beratung, Medien, Handwerk, Sport und Aktivismus durch spannende Panelist*innen zusammen:

  • Fikri Anıl Altıntaş – freier Autor aus Berlin und ehrenamtlicher #HeForShe-Botschafter von UN Women Deutschland
  • Mari Günther – Fachreferentin für Beratungsarbeit und Gesundheitsversorgung beim Bundesverband Trans* e.V. (BVT*) sowie systemische Therapeutin
  • Stephanie Klimmer – Projektleiterin des „Kompetenzzentrums für Berliner Handwerker*innen“ beim bfw (Unternehmen für Bildung)​
  • Almuth Schult – deutsche Fußballspielerin (Torhüterin) und Olympiasiegerin, langjährige Nummer-1-Torhüterin der Frauen-Nationalmannschaft
  • Maren Lansink, Geschäftsführerin der Themis-Vertrauensstelle gegen sexuelle Belästigung und Gewalt e.V.

Sexismus im Alltag – und warum er oft nicht als solcher benannt wird

Gleich zu Beginn wurde deutlich: Sexismus ist kein Randphänomen. Er beginnt bei vermeintlich „harmlosen“ Sprüchen, zeigt sich in struktureller Benachteiligung – und kann in übergriffiges Verhalten übergehen. Dabei wirkt er nicht auf alle gleichermaßen.

Stefanie Klimmer berichtete aus dem Handwerk, wie junge Frauen, trans und nicht-binäre Personen dort häufig subtil ausgeschlossen werden – etwa indem ihnen technische Kompetenz abgesprochen wird oder sie im Kundenkontakt und von Kollegen mit sexistischen Kommentaren konfrontiert werden, oft ohne Rückhalt durch Vorgesetzte. Fikri Anıl Altıntaş erklärte, welche Icebreaker es braucht, damit Jungen und Männer beim Thema Sexismus nicht sofort abwinken. Almuth Schult schilderte, welchen Formen von Sexismus und Ausgrenzung Frauen im Sport begegnen. Mari Günther machte deutlich, wie eng Sexismus und Transfeindlichkeit oft miteinander verwoben sind – etwa wenn trans Personen durch Sprache, Strukturen oder Unsichtbarmachung systematisch ausgeschlossen werden, auch im Rahmen von Gleichstellungsangeboten, die häufig nur cis Frauen im Blick haben.

Belästigung ist kein Missverständnis – sondern Machtmissbrauch

Im zweiten Block stand die Frage im Mittelpunkt, wie Organisationen mit sexueller Belästigung umgehen – und was Betroffene wirklich brauchen.

Maren Lansink erklärte, dass sich noch immer viele Betroffene aus Angst vor negativen Folgen gar nicht erst melden. Wenn sie es doch tun, stoßen sie häufig auf Verfahren, die nicht vertraulich, nicht fair oder schlichtweg nicht vorhanden sind. Erfolg in der Beratung bedeute nicht zwangsläufig, dass ein Fall öffentlich werde – sondern dass die Betroffenen sich gestärkt fühlen und Handlungsspielräume zurückgewinnen.

Doch es gibt auch positive Beispiele, und die Arbeit der Themis-Vertrauensstelle hat bereits viel bewegt. Fikri Anıl Altıntaş unterstrich, wie wichtig es ist, dass Männer aktiv Verantwortung übernehmen – als Mitverantwortliche in einer von Machtasymmetrien geprägten Arbeitswelt.

Was Veränderung möglich macht – bessere Strukturen gegen Sexismus in der Arbeitswelt

Veränderung braucht mehr als Appelle – das wurde im dritten Teil der Diskussion deutlich. Stefanie Klimmer berichtete von erfolgreichen Empowerment-Formaten im Handwerk. Doch leider gibt es noch immer zu wenige Betriebe, die das Thema strukturell ernst nehmen. Deshalb bleibt FLINTA-Personen häufig nur der Weg in die Selbstständigkeit – oder sie sehen sich gezwungen, ihren Beruf ganz aufzugeben.

Mari Günther nannte positive Beispiele gelungener trans Inklusion im Arbeitsalltag – etwa durch klare Kommunikationsregeln, inklusive Sprache und Weiterbildungen, die von trans Referent*innen durchgeführt werden. Fikri Anıl Altıntaş betonte die Wirksamkeit geschützter Gesprächsräume für Männer, in denen Fragen nach Privilegien, Grenzüberschreitungen und Verbündet-Sein offen besprochen werden können. Zudem sensibilisierte er dafür, dass die gesamte Gesellschaft in den Blick genommen werden müsse. Almuth Schult zeigte die Bedeutung von Vorbildern auf – und welche Bälle im Fußball ins Rollen kommen können, wenn einzelne Führungspersonen in Verbänden oder Vereinen bereit sind, Verantwortung zu übernehmen.

Maren Lansink mahnte an: Prävention und Beratung brauchen Ressourcen – und dürfen nicht vom Engagement Einzelner abhängen.

Gleichstellung unter Druck – und der lange Atem der Veränderung

Im letzten Themenblock wurde deutlich: Gleichstellung ist aktuell keine Selbstverständlichkeit. Mari Günther warnte vor dem Einfluss rechter Diskurse auf die Arbeitsrealität von trans Personen – und davor, dass sich die Uhr zurückdrehen könnte.

Maren Lansink ergänzte, dass sich der gesellschaftliche Rollback auch in der Finanzierung von Präventionsarbeit zeigen könnte – etwa dann, wenn bewährte Strukturen wie die Themis-Vertrauensstelle um ihre Zukunft kämpfen müssen. Fikri Anıl Altıntaş berichtete, wie stark insbesondere Jugendliche durch die sogenannte „Manosphere“ beeinflusst werden. Almuth Schult erzählte, wie sehr sich die Gesellschaft im Hinblick auf Frauen im Fußball positiv verändert habe – und ermutigte das Publikum, eine eventuelle Durststrecke durchzustehen: Der Fortschritt sei nicht aufzuhalten.

Das Panel zeigte eindrucksvoll: Sexismus ist nicht nur ein individuelles Problem, sondern Ausdruck ungleicher Machtverhältnisse. Doch es wurde auch deutlich: Es gibt Erfahrungen, Lösungen, Netzwerke und Ansätze, die wirken – am besten, wenn alle Beteiligten bereit sind, Verantwortung zu übernehmen.

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