Wir alle haben Vorurteile. Wir alle denken in Schubladen, in Stereotypen. Ein Grund dafür ist, dass es unserem Gehirn so leichter gemacht wird. Manche davon sind uns bewusst und wir können sie reflektieren und neue Wege im Umgang mit ihnen finden. Viele Vorurteile sind uns aber auch nicht bewusst – sogenannte Unconscious Bias. Wir beurteilen Menschen dadurch automatisch anhand der Kategorien, die in uns stecken, was negative Auswirkungen auf andere haben kann. Doch wie gehen wir damit um? Können wir Vorurteile loswerden und wenn ja, wie?
Ich und Vorurteile?
Kevin ist nicht so schlau wie Leon; Mädchen sind schlechter in Mathe als Jungs; der potenzielle Kollege aus Spanien kommt bestimmt immer zu spät, der Deutsche ist immer pünktlich: All das sind gängige Vorurteile. Niemand gibt gerne zu, dass wir „so“ denken. Und doch tun wir es alle, weil unser Gehirn es automatisch tut. Unser Gehirn ordnet Menschen in Kategorien ein, aufbauend auf Sozialisierung, Erziehung und Lebenserfahrung. Und das muss es auch, um sich in der Welt zurechtzufinden, doch das ist keine Entschuldigung auf der wir uns ausruhen können. Denn es wird problematisch dann, wenn genau diese Kategorien dazu führen, dass wir andere Menschen schlechter behandeln und diese unter den Auswirkungen zu leiden haben – wenn wir in Verantwortungspositionen Entscheidungen treffen, die auf ebendiesen unbewussten Denkmustern basieren. Zum Beispiel, wenn ein Mann mit Akzent den Job nicht bekommt, eine Person mit religiöser Kopfbedeckung gar nicht erst zum Vorstellungsgespräch eingeladen wird oder die Kollegin mit Behinderung als nicht kompetent genug für die Führungsposition eingeschätzt wird. Herausfordernd ist es, dass wir Menschen von uns selbst glauben, komplett rationale Entscheidungen zu treffen und viele Denkmuster aber gleichzeitig unbewusst ablaufen. Doch leider täuschen wir uns da selbst.
Unbewusste Denkmuster stellen die Grundlage für Diskriminierung dar. Um stereotypes Denken zu bekämpfen, müssen wir uns bewusstmachen, wie Unconscious Bias entstehen. Die eigenen Vorurteile bekämpfen, ist daher eine wichtige Grundlage für mehr Diversität in der Organisation oder im Unternehmen und strategisches Diversity-Management.
Was sind Unconscious Bias?
Unconscious Bias sind also unbewusste Denkverzerrungen und unbewusste Stereotype – kognitive Wahrnehmungsverzerrungen, ein sozialpsychologisches Phänomen. Sie beziehen sich auf Eigenschaften und Kompetenzen von Personen, z. B. auf eine introvertierte Art, Geschlecht, Alter oder Kommunikationsstil. Sie basieren auf begrenzten Fakten, eigenen Lebenserfahrungen, Erzählungen anderer und entsprechenden Darstellungen in den Medien. Sie führen dazu, dass Vorurteile in unser Handeln und Denken einfließen.
Zu den gängigen Vorurteilen kommen weitere Auswirkungen: Wir finden Menschen, die uns ähnlich sind, automatisch sympathisch und Fremde eher suspekt. Wir vermuten beim ersten Kennenlernen schnell bestimmte Charakterzüge. Denn: wir nehmen mentale Abkürzungen, indem wir fehlende Information über andere automatisch ergänzen.
Unbewusste Denkmuster geben uns Sicherheit in Stresssituationen, aber bergen ein großes Risiko für Fehlentscheidungen.
Warum gibt es Unconscious Bias?
Das Gehirn muss in der Lage sein, mit Informationsüberflutung umzugehen und in Stresssituationen schnelle Entscheidungen zu treffen. Unconscious Bias sind demnach im Grunde ein Überbleibsel aus der Vergangenheit. Sie schaffen Entlastung für unser Gehirn.
Was hat das mit Diversity-Management zu tun?
Stereotypen und Vorurteile, die in unserem Gehirn festgeschrieben sind und unbewusst ablaufen, reduzieren Vielfalt in Organisationen. Beispielsweise werden eher diejenigen Mitarbeitenden befördert, die der entsprechenden Führungskraft ähnlich sind. Oder: Großen Menschen und sicherem Auftreten wird eher fachliche Kompetenz zugesprochen. Wenn Menschen aufgrund von Sympathie oder eigener Ähnlichkeit ausgewählt werden, werden die Fähigkeit anderer Menschen leicht übersehen oder übergangen. Eine vielfältige Personalauswahl führt aber zu mehr Innovation in Teams, Kund*innenzufriedenheit und wirtschaftlichem Erfolg.
Auch im politischen Kontext wirken unbewusste Denkmuster: Stereotype und Vorurteile prägen die Parteiarbeit, haben Einfluss auf die Entscheidungen der Wählerinnen und Wähler und innerhalb der Partei. Noch immer werden beispielsweise weniger Frauen aufgestellt; sie sind daher noch immer unterrepräsentiert in der Politik.
Diversität in Organisationen
Ohne kritisches Reflektieren der eigenen unbewussten Bias kann keine Vielfalt in Organisationen, Parteien oder der Verwaltung entstehen. Trainings, Workshops und Vorträge zum Thema Unconscious Bias und unbewusste Denkmuster für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können sensibilisieren, anregen, das Thema Vielfalt zu reflektieren und helfen so, aktiv gegen Schubladendenken vorzugehen.
Zum Weiterlesen:
https://www.charta-der-vielfalt.de/erfolgsgeschichten/zeige/fokusthema-unconscious-bias/
Welpe, Isabell (Hrsg.): „Gendersensitive Personalauswahl und Beurteilung“
Antidiskriminierungsstelle zu anonymen Bewerbungen
anti-bias.at: Plattform für den Umgang mit unbewussten Vorurteilen
Daniel Kahnemann: Schnelles Denken, Langsames Denken