„Frauen und Männer sind gleichberechtigt“: So steht es im Deutschen Grundgesetz. In der Politik aber sind Männer und Frauen weiterhin nicht gleichberechtigt vertreten. Der Frauenanteil in der Politik in Deutschland ist gering: 2023 waren es ca. 35 % Politikerinnen im Deutschen Bundestag, ca. 34 % in den Landtagen und durchschnittlich ca. 30 % in der Kommunalpolitik. Doch warum ist das so? Gründe dafür gibt es viele, denn Frauen stehen vor anderen Herausforderungen als Männer.

Frauenanteil im Bundestag

Nach der Bundestagswahl 2021 war der Frauenanteil im Deutschen Bundestag bei 34,7 %. Im Vergleich zum Ergebnis der letzten Wahl 2017 stieg er um 4 %. Der Anteil von Frauen im Deutschen Bundestag befindet sich seit 20 Jahren auf einem ähnlichen Niveau und ist von seinem Höchststand von 37,1 % 2013 nach der Wahl 2017 auf 30,7 % gesunken. 2021 erreichte der Frauenanteil wieder das Niveau von 1998.

Grund für den leichten Anstieg ist, dass mit SPD und Bündnis 90/Die Grünen zwei Parteien mit verbindlichen innerparteilichen Frauenquoten ihr Ergebnis verbessert haben. Demgegenüber stehen CDU/CSU, FDP und AfD, die nur wenige Frauen aufstellen (FDP, AfD) oder Frauen auf wenig aussichtsreichen Listenplätzen und Direktmandaten nominieren (CDU/CSU).

Zusätzlich ist es aufschlussreich, auf die Kandidaturen und die Nominierungen der Parteien von Frauen vor der Bundestagswahl zu schauen. Die Landeslisten und Direktkandidaturen zeigen: In Parteien, für die weniger Frauen in den Bundestag eingezogen sind als aufgestellt waren, wird deutlich: Die Politikerinnen waren von Beginn auf weniger aussichtsreichen Plätzen.

Frauenanteil in der Kommunalpolitik

Es gibt nur ca. 10 % Frauen, die ein Bürgermeisteramt innehaben. In kommunalen Vertretungen sind es ca. 31 %. Aber: Entscheidungen, die in der Kommunalpolitik getroffen werden, haben unmittelbare Auswirkungen auf das Leben der Bürgerinnen und Bürger. Frauen machen ungefähr 50 % der Bevölkerung aus und sollten daher auch entsprechend mitentscheiden können. Studien und Umfragen zeigen, dass vor allem ältere, akademisch gebildete und weiße Männer die Entscheidungen treffen. Studien zeigen aber auch, warum es weniger Frauen in der (Kommunal)Politik gibt und was sich ändern müsste.

Hürden von Frauen in der Politik

Noch immer gibt es strukturelle und institutionelle Hürden für Frauen in der Politik, etwa die fehlende Vereinbarkeit von Amt, Familie und Beruf, die politische Kultur, das Wahlrecht und die Auswahl- und Nominierungsprozesse in den Parteien.

Es herrschen immer noch traditionelle Rollenbilder und Geschlechterstereotype vor: Das führt dazu, dass Frauen sich weiterhin mehr um die Familie kümmern (müssen) und so weniger Zeit haben, aber auch weniger verdienen. Kommunalpolitik ist ein Ehrenamt, das oft in den Abendstunden stattfindet. Beides ist schwer umzusetzen, wenn die Kinder ins Bett müssen oder das Einkommen knapp ist. Zusätzlich trauen Frauen sich und anderen Frauen weniger zu – die Entscheidung, ein politisches Amt zu übernehmen, fällt schwerer. An Politikerinnen gibt es hohe Erwartungen, die auch auf Klischees basieren: Sie müssen freundlich sein, gute Leistung zeigen und dabei immer „gut aussehen“ – aber nicht zu gut, denn dann werden sie nicht mehr ernst genommen. Diese Erwartungen treffen auf eine Welt, die immer noch stark männlich dominiert ist: Der Umgangston ist rau, Netzwerke, meist informell, lange gewachsen und oft „abends beim Bier“. Frauen werden öfter unterbrochen, Kritik respektloser geäußert und Redebeiträge werden öfter nicht so ernst genommen, wie die von Männern. Vorurteile gibt es auch bei politischen Inhalten: Frauen wird eher unterstellt, dass sie sich für Themen wie Soziales oder Familienpolitik interessieren und ihnen wird häufiger die Kompetenz für andere Politikbereiche und Ressorts abgeschrieben – Politikerinnen müssen sich insgesamt mehr anstrengen und „ihre“ Themen werden oft nicht ernst genommen. Frauen erleben also Sexismus in der Politik und es fehlt ihnen an Vorbildern, Netzwerken und anderen Unterstützungssystemen, etwa eine offene Willkommenskultur in Parteien.

Auch das Wahlrecht hat einen erheblichen Einfluss darauf, ob und in welchem Maße Frauen in den Parlamenten vertreten sind. In Ländern mit einem reinen Verhältniswahlrecht ist der Anteil der Frauen höher als in Ländern mit einer Direktwahl oder gemischten Systemen wie in Deutschland. Ein Paritätsgesetz in Deutschland könnte dazu beitragen, dass Frauen und Männer gleichermaßen in politischen Entscheidungsprozessen und der politischen Repräsentation vertreten sind.

Sexismus in der Politik

Politikerinnen erfahren Sexismus im Amt; sexuelle Belästigung in der Politik ist ein weitverbreitetes Phänomen. Sexismus ist die Herabwürdigung aufgrund des Geschlechts. Sexuelle Belästigung ist eine besonders herabwürdigende und sich negativ auf die Betroffenen auswirkende Form. In einer Studie haben 40 % der befragten Politikerinnen angegeben, Erfahrungen mit sexueller Belästigung gemacht zu haben. Dabei haben mehr Frauen auf Bundesebene (55 %) als auf kommunaler Ebene (30 %) sexuelle Belästigung erfahren. Die Politikerinnen berichten von unangemessenen und anzüglichen Bemerkungen über Aussehen, Figur und Kleidung, von Blicken und Musterungen. Häufig sind auch unerwünschte Berührungen oder „Anmachen“. Die Übergriffigkeiten finden meistens in informellen Situationen statt, Frauen erfahren diese von Parteikollegen, aber auch von Politikern aus anderen Parteien. Besonders gefährdet sind jüngere Frauen und weibliche Neumitglieder in Parteien.

Was können Parteien tun, um mehr Frauen in die Politik zu bringen?

Um den Frauenanteil in der Politik zu erhöhen, gibt es viele Stellschrauben. Parteien müssen es schaffen, mehr Frauen für sich zu gewinnen, zu fördern und auf aussichtsreichen Listenplätze bzw. in aussichtsreichen Wahlkreise aufzustellen. Verbindliche Frauenquoten in Parteien auf allen Ebenen sind ein wirksamer Hebel für dieses Unterfangen. Parteien sollten langfristig und systematisch denken, um Frauen für sich zu gewinnen. Dabei können auch Gleichstellungspläne unterstützen und konkrete Ziele vorgeben. Mentoring-Programme können Frauen parteiintern unterstützen, ebenso wie Netzwerke. Frauen sollten stärker in die Netzwerke von Männern einbezogen werden, aber auch eigene Netzwerke aufbauen. Innerparteiliche Ansprechpersonen wie Ombudsstellen können bei  sexistischen Vorfällen oder sexueller Belästigung Betroffene unterstützen und für Klarheit sorgen. Weibliche Vorbilder spielen eine große Rolle, wenn es darum geht, andere Frauen für die Politik zu gewinnen.

Die Kultur in den Parteien muss sich ändern und zeitgemäßer werden: Frauen in ihrer Vielfalt willkommen heißen, einen respektvollen Umgangston etablieren und verschiedene Lebensmodelle mitdenken. 

Bessere Vereinbarkeit in der Politik

Eine notwendige Stellschraube, um den Frauenanteil in der Politik zu erhöhen, ist die bessere Vereinbarkeit von Beruf, Amt und Privatleben. Ob Sitzungszeiten, digitale Formate oder Kinderbetreuung: Wie das gehen kann, zeigen verschiedene Beispiele aus Kommunen.

Die familienfreundliche Gestaltung der Kommunalpolitik spielt für Frauen und (junge) Männer eine Rolle, denn aktuell bietet sie noch wenig Raum für Flexibilität und halten Menschen mit Familienverpflichtungen öfter ab, ein kommunalpolitisches Amt anzustreben. Es wird auch für die Parteien schwerer, parteipolitischen Nachwuchs zu finden.

Hilfreich sind etwas Regelungen zur Kinderbetreuung in den Kommunen; Gebäude müssten familienfreundlich ausgestattet werden, damit Kinder, zum Beispiel im Kinderwagen, mitgebracht werden können. So werden in Sehnde (Niedersachsen) Babysitter*innen an die Eltern vermittelt. Halle an der Saale arbeitete mit städtischen Kitas zusammen. Die Straffung von Ausschuss- und Ratssitzungen kann außerdem dazu führen, dass die Teilnahme an diesen auch mit familiären Verpflichtungen einfacher wird. Die Möglichkeiten der Digitalisierung spielen dabei ebenso eine bedeutende Rolle. Online – genauer gesagt hybride Ratssitzungen – haben sich in der Coronapandemie bewährt und sollten auch zukünftig zur besseren Vereinbarkeit beibehalten werden. Netzwerke von Mandatsträger*innen ermöglichen den Erfahrungs- und Wissensaustausch, stärken ihre Mitglieder und unterstützen die Einflussnahme auf die Politik. Im hessischen Münster (Landkreis Darmstadt-Dieburg) machen die Mitglieder des 2022 gegründeten Gesamtelternbeirats die Erfahrung, dass sie mit ihrer Meinung gesehen und gehört werden. So bestehen auch ohne Mandat Mitwirkungs- und Gestaltungsmöglichkeiten auf kommunaler Ebene.

Weiterlesen: Mit Kind in die Politik

Eine Frauenquote in der Politik? Das Paritätsgesetz in Deutschland

In Deutschland gibt es zum jetzigen Stand keine gesetzliche Regel zu Parität in der Politik. 2019 wurden Paritätsregelungen per Gesetz in zwei Bundesländern – Brandenburg und Thüringen – verabschiedet. Bevor die Gesetze greifen konnten, wurden sie von den jeweiligen Landesverfassungsgerichten gekippt.

Es braucht kulturelle und strukturelle Veränderung, um mehr Frauen in die Politik zu bringen. Gesetze nehmen die Parteien in die Pflicht. Es gibt verschiedenen Vorschläge und Modelle, wie ein Paritätsgesetz aussehen kann. Der SPD-Politiker Thomas Oppermann schlug etwa ein Drei-Stimmen-Wahlrecht vor, bei dem die Wahlkreise halbiert und mit einer „Doppelspitze“ besetzt würden. Wählerinnen hätten drei Stimmen: Für die Partei, für einen Mann und für eine Frau. Das Ferner/Laskowski-Modell schlägt vor, dass Direktmandate paritätisch zugeteilt werden.

Im europäischen Vergleich haben insgesamt 12 Länder Paritätsgesetze, darunter Frankreich, Spanien und Belgien. Sie zeigen: Quoten wirken.

Weiterlesen: Zusammenfassung der gesetzlichen Regelungen für ein Paritätsgesetz in Europa

Im Grundgesetz steht: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin“. Ohne gesetzliche Vorgaben wird es schwer, dieses Ziel zu erreichen.

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