Frauen Macht Berlin: Studie zur politischen Teilhabe von Frauen in Berlin

Anlässlich der Wiederholungswahl 2023 in Berlin veröffentlicht das Landesbüro Berlin der Friedrich-Ebert-Stiftung Zahlen über den Frauenanteil in der Berliner Politik – von der Bezirksverordnetenversammlung über das Abgeordnetenhaus bis zum Senat. Die Studienautorinnen Lisa Hempe, Dr. Helga Lukoschat (beide EAF Berlin) und Dr. Nora Langenbacher (FES) legen Schlussfolgerungen für mehr Teilhabe von Frauen vor und geben neue Impulse für die Debatte über ein Paritätsgesetz und die Bedeutung des Wahlrechts. Fazit: nur verbindliche Regelungen führen zu einer gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern.

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Cover der Studie 'Frauen macht Berlin'.

Bildquelle: EAF Berlin

Wie gestaltet sich die Teilhabe von Frauen in der Politik Berlins nach der Wiederholungswahl vom 12. Februar 2023? Wie hoch ist nun der Frauenanteil auf allen Ebenen und Funktionen? Wer nimmt Führungspositionen ein? Wo liegen die Ursachen für die geringen Frauenanteile? Welche Rolle spielt das Wahlrecht? Und welche Schlussfolgerungen ergeben sich daraus für mehr Teilhabe von Frauen in der Berliner Politik? Die Autorinnen untersuchten die Frauenanteile im Berliner Abgeordnetenhaus sowie in den Bezirksverordnetenversammlungen, haben diese nach Parteizugehörigkeit analysiert und einen kritischen Blick auf die Diskrepanz zwischen der Anzahl der Kandidatinnen und der Anzahl der Gewählten geworfen. Zudem werteten sie die Führungspositionen auf Senats- und Bezirksebene aus.

Überraschung: Neues politisches Kräfteverhältnis bedeutet mehr Frauen im Landesparlament

Obwohl die Parteien dieselben Kandidat*innen für die Wahlkreise und Wahllisten aufstellen mussten, erhöhte sich der Frauenanteil im Berliner AGH um 3,6 Prozentpunkte auf 39 %. Im Ranking der Länderparlamente ist Berlin so auf Platz 3 hinter Hamburg und Bremen vorgerückt. Die Auswertung nach Parteien zeigt die entscheidenden Stellschrauben: das Wahlrecht und die Nominierungspraxis. Die Verschiebung der politischen Mehrheiten zugunsten der CDU wirkte sich mit Blick auf den Frauenanteil positiv aus. Die CDU gewann 2023 mehr Wahlkreise, in denen Frauen nominiert waren. So zogen zwölf statt drei Frauen als Direktkandidatinnen ins AGH ein. Die CDU-Fraktion kommt damit zwar immer noch auf einen vergleichsweise niedrigen Frauenanteil von 25 %; gegenüber 13 % (2021) konnte sie diesen jedoch fast verdoppeln. Dem Verlust von SPD-Direktmandaten, der überwiegend zulasten von Männern ging, ist es zu verdanken, dass mehr Frauen als 2021 im Parlament vertreten sind: Der Frauenanteil verbesserte sich von 39 % (2021) auf fast die Hälfte (47 %), da über die quotierten Listen mehr Frauen (16) in das Abgeordnetenhaus einzogen. In der SPD-Fraktion finden sich nun 16 Frauen und damit zwei mehr als nach der Wahl 2021.

Frauen bei Wahlkreiskandidaturen deutlich benachteiligt

Das in Berlin vorherrschende personalisierte Verhältniswahlrecht mit dem System der Direktkandidaturen über Wahlkreise (Erststimme) kann die Wahlchancen von Frauen klar beeinträchtigen. Die Zahlen belegen, dass in den meisten Parteien – mit Ausnahme der Grünen – von vornherein weniger Frauen als Männer in den Wahlkreisen nominiert werden (im Durchschnitt 64 % Männer gegenüber 36 % Frauen). Vor allem werden in den für die jeweilige Partei als aussichtsreich geltenden Wahlkreisen eher Männer als Frauen nominiert. Dies gilt vor allem für die CDU, aber auch die SPD.

Die Wiederholungswahl als Anlass und Chance für ein Paritätsgesetz

Die Berlinwahl 2023 führt die Relevanz des Wahlrechts für die gleichberechtigte Teilhabe vor Augen und gibt damit Anlass für gesetzgeberisches Handeln. Dr. Helga Lukoschat betont: „Parität in den Parlamenten ist ein zentrales demokratisches Anliegen. Unsere Studie zeigt deutlich, wo Stellschrauben liegen: in der Ausgestaltung des Wahlrechts und bei den Nominierungspraktiken der Parteien“.

Die neue Berliner Landesregierung hat im Koalitionsvertrag festgehalten, die verfassungsrechtlichen Möglichkeiten eines Paritätsgesetzes zu prüfen. Damit positioniert sich auch die Berliner CDU erstmals für ein Gesetz als Garant einer tatsächlich gleichberechtigten Teilhabe. Das Bundesverfassungsgericht hat über die grundsätzliche Verfassungskonformität von Paritätsgesetzen nach wie vor nicht entschieden. Die verfassungsrechtliche Debatte wird weiterhin kontrovers geführt: In der Wahlrechtskommission des Bundestages hielten sich die Einschätzungen pro und kontra in etwa die Waage. Zudem hat die Kommission weitere Modelle erarbeitet, an die Berlin anknüpfen kann.

Die Studie zum Download

Weitere zentrale Ergebnisse im Überblick

  • Quotierte Listen wirken
    Quotierte Listen bewähren sich erneut als wirksames Instrument. Die verbindlichen internen Regelungen bei SPD und Linken zu paritätischen Listen sowie die Mindestquotierung von 50 % bei Bündnis 90/Die Grünen zeigen Wirkung. Unverbindliche Regelungen, wie das bisherige 30 Prozent-Quorum der CDU, oder das Fehlen von Regelungen wie bei FDP und AfD mindern erheblich die Chancen von Frauen.
  • Bündnis 90/Die Grünen und Linke haben die höchsten Anteile
    Die Fraktion der Grünen weist den höchsten Frauenanteil auf; dieser ist gegenüber 2021 sogar um weitere sechs Prozentpunkte von 53 % auf 59 % gestiegen. Damit fallen von insgesamt 34 Mandaten 20 an Frauen. Der Frauenanteil bei der Linken verringerte sich von 54 auf 50 %, da zwei Frauen ihre Wahlkreise verloren haben. Die Partei kommt somit nur noch auf 22 Mandate, die zu gleichen Teilen von Männern und Frauen ausgeübt werden.
  • Das Ausscheiden der FPD verbessert den Frauenanteil, die AfD verschlechtert ihn
    Die FDP schaffte es bei der Wiederholungwahl nicht, die Fünfprozenthürde zu überwinden, und ist nicht mehr im Abgeordnetenhaus vertreten. 2021 besetzte die FDP lediglich zwei ihrer zwölf Mandate mit einer Frau; dies entsprach einem Anteil von 17 %. Da die FDP mehrheitlich Männer aufgestellt hatte, hat ihr Ausscheiden indirekt gleichfalls zum Anstieg des Frauenanteils beigetragen. Der Frauenanteil bei der AfD verringerte sich 2023 erneut um drei Prozentpunkte auf 12 %. Von 17 Sitzen werden nur zwei von Frauen besetzt.
  • Führungspositionen im Senat – weiblicher und diverser
    2021 bestand der Berliner Senat unter der Führung von Franziska Giffey (SPD) aus sechs Senatorinnen und vier Senatoren. Mit Kai Wegner (CDU) als Regierendem Bürgermeister ist der Senat nun mit sieben Senatorinnen und drei Senatoren noch weiblicher besetzt als zuvor. Bezieht man den Regierenden Bürgermeister mit ein, liegt der Anteil von Frauen erneut bei 64 %, auf der Ebene der Staatssekretär_innen bei 42 %. Auch ist Berliner Senat nun diverser als zuvor.
  • Bessere Ausgangslage in den Bezirken
    In den Bezirksverordnetenversammlungen ist der Frauenanteil insgesamt gegenüber der Wahl 2021 leicht um 1,8 Prozentpunkte von 42,9 auf 41,1 % gesunken. Der Vergleich zwischen Bezirken sieht Mitte als Spitzenreiter mit einem Anteil von 49,1 %; das Schlusslicht bildet Spandau mit 32,7 %. Berlin liegt damit auf kommunaler Ebene deutlich über dem bundesdeutschen Durchschnitt von 28 %. Für die Bezirksverordnetenversammlungen erfolgt, im Unterschied zu anderen Bundesländern, die Wahl grundsätzlich über ein reines Verhältniswahlrecht mit festen Listen. Auch hier bildet die Kombination aus Wahlrecht und Stärke der Parteien mit verbindlichen Vorgaben den entscheidenden Faktor für die Teilhabe von Frauen.
  • Bürgermeisterinnen auf dem Vormarsch
    Nach der Wiederholungswahl werden sieben von zwölf Bezirken von einer Frau geführt. Das entspricht einem Frauenanteil von 58 % und einer Verbesserung von 25 Prozentpunkten im Vergleich zu 2021. Zu den bisher von einer Frau geführten Rathäusern in Friedrichshain-Kreuzberg, Charlottenburg-Wilmersdorf und Steglitz-Zehlendorf kamen vier hinzu (Mitte, Marzahn-Hellersdorf, Pankow und Reinickendorf).

Hier finden Sie die Studie zum Download

Weitere Informationen bei:

…den Autorinnen:

  • Dr. Helga Lukoschat, über Nina Prehm: prehm@eaf-berlin.de
  • Dr. Nora Langenbacher: nora.langenbacher@fes.de

…der Friedrich-Ebert-Stiftung:

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